(c) Lena Obst

Ballhaus Naunynstraße

Das Ballhaus Naunynstraße ist seit der Wiedereröffnung als translokales Theater 2008 ein Kristallisationspunkt für Künstler*innen vorwiegend migrantischer und postmigrantischer Verortung. Seither hatte das Haus konstant eine Auslastung von über 90% bei pro Jahr etwa 10 Premieren und Uraufführungen von Eigen- und Koproduktionen; mit Gastspielen von Hamburg bis München, Prag bis Amsterdam und Istanbul bis Nairobi; mit einer großen Anzahl interdisziplinärer Festivals, Filmreihen, Lesungen, Konzerten, Diskussionsveranstaltungen und mit lokalen Projekten zur Kunstvermittlung im Rahmen der kulturellen Bildung wie der Kiez-Monatsschau, einem etablierten Format der akademie der autodidakten.

Die vom Ballhaus Naunynstraße ausgehenden neuen ästhetischen und inhaltlichen Impulse stießen einen Diskurs über postmigrantische Kulturproduktion an, der die deutschsprachige Theaterlandschaft nachhaltig verändert hat. Mit Festivals wie Black Lux – Ein Heimatfest aus Schwarzen Perspektiven (2013) und der Veranstaltungsreihe We are Tomorow – Visionen und Erinnerungen anlässlich der Berliner Konferenz von 1884 (2014/15) sowie Veranstaltungen wie der 1. Indaba Schwarzer Kulturschaffender in Deutschland (2015) wurden historische Leerstellen postkolonialer Themen im kollektiven Gedächtnis benannt und disziplinübergreifend hinterfragt. Der künstlerische Leiter des Hauses, Wagner Carvalho, stellt hierbei die Erweiterung postmigrantischer Perspektiven in den Mittelpunkt der programmatischen Ausrichtung, denn erst durch die Benennung von Verknüpfungen verschiedener Positionen wie der afrodeutschen, Schwarzen, Queerness sowie Gender können gesellschaftliche Realitäten in ihrer Komplexität verhandelt werden. Im Fokus steht hierbei immer die künstlerische Übersetzung dieser. Das beinhaltet stets neue ästhetische Rechercheansätze und Umsetzungen, da die Themen erst in enger Zusammenarbeit mit Regisseur*innen, Autor*innen, Schauspieler*innen und Performer*innen unterschiedlichster biografischer Provenienz am Haus entwickelt werden. Die so entstehenden Texte auf den Ebenen von Sprache(n) und Körper(bilder)n bringen (un)erhörte, (un)sichtbare Geschichten auf die Bühne und kulturelle Selbstverständlichkeiten der Mehrheitsgesellschaft ins Wanken – für ein Öffnen grenzüberschreitender Visionen!

Vor diesem Hintergrund werden die geplante Veranstaltungsreihe zum Thema 10 Jahre Postmigrantisches Theater (kuratiert von Dr. Onur Suzan Nobrega) sowie ein Palestinensisches Diaspora-Festival (kuratiert von Pary El Qalqili und Anna Esther Younes 2016) mit Performances, Filmen, Konzerten und Diskussionen weiteren Dimensionen postmigrantischer Kulturproduktion nachgehen. Ferner sind die Nachwuchsförderung und die Schaffung von Zugängen sowie Experimentierfeldern für junge Künstler*innen bleibende wichtige Schwerpunkte der Arbeit des Ballhauses. So ließ z.B. die Produktion der akademie der autodidakten One day I went to *Idl geflüchtete junge Menschen selbst ihre eigenen Geschichten auf der Bühne künstlerisch übersetzen.

Die künstlerische Praxis im Ballsaal von 1863 bleibt somit vielfaches Forschungs- und Vorzeigeobjekt verschiedenster Disziplinen. Fokus der Aufmerksamkeit ist ein breites Netzwerk an Künstler*innen und Kurator*innen. Unter anderem arbeiten Nora Abdel-Maksoud, Simone Dede Ayivi, Anestis Azas, Claudia Basrawi, Miraz Bezar, Elizabeth Blonzen, Salome Dastmalchi, Amina Eisner, Silvina Der-Meguerditchian, Modjgan Hashemian, Theresa Henning, Atif Hussein, Jasmin İhraç, Philipp Khabo Koepsell, Magda Korsinsky, Grada Kilomba, Hakan Savaş Mican, Tuğsal Moğul, Branwen Okpako, Simon Paetau, Ricardo de Paula, Juliana Piquero, Pary el Qalqili, Thandi Sebe, Iury Trojaborg, Prodromos Tsinikoris, İdil Üner, Olivia Wenzel und Reihaneh Youzbashi Dizaji für das Ballhaus. Ein seit Jahren stetig wachsendes Netzwerk an Schauspieler*innen, Tänzer*innen und Performer*innen hat das postmigrantische Theater über das bloße Schlagwort hinaus zu einem kreativen Kunstlabor gemacht: Am Ballhaus spielen u. a. Sanam Afrashteh, Elmira Bahrami, Nina Sarita Balthasar, Eva Bay, Vernesa Berbo, Knut Berger, Thelma Buabeng, Dejan Bućin, Black Cracker, Dela Dabulamanzi, Melek Erenay, Pınar Erincin, Sheri Hagen, Anne Haug, Ernest Allan Hausmann, Jerry Hoffmann, Thomas B. Hoffmann, Serkan Kaya, Toks Körner, Harriet Kracht, Jair Luna, Aérea Negrot, Attila Oener, Theo Plakoudakis, Sema Poyraz, Isabelle Redfern, Lisa Scheibner, DieterRita Scholl, Asad Schwarz-Msesilamba, Muri Seven, Michael Wenzlaff, Maryam Zaree u.v.a.

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(© Ute Langkafel)

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(© Ute Langkafel)

 

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